Der Extrem-SUP-Sportler Thomas Oschwald machte 2013 von sich reden, als er den Rhein von der Quelle bis zur Mündung auf dem Brett bewältigte. Hier berichtet er über seine Solo-Tour in Norwegen – durch Dunkelheit und Eiseskälte von Tromsø bis zum Nordkap, auf der Suche nach dem Polarlicht.
Anfang Dezember starte ich in Tromsø. Mein Plan ist denkbar einfach: Auf dem Wasserweg werde ich zwei bis drei Wochen in Norwegen auf meinem SUP-Board bis ans Nordkap paddeln. Auf den Spuren des Polarlichts werde ich mich von der Dunkelheit, der Kälte und von unbekannten Gewässern herausfordern lassen, um die Dinge wieder mit neuen Augen sehen zu können. 500 Kilometer, genügend Zeit und Top-Material – was braucht es mehr?
Im Dunkeln ist gut funkeln
Gäbe es das Dunkel nicht, wüssten wir nichts von den Sternen, lautet ein Sprichwort in Norwegen. Meine Expedition soll nicht während der warmen Sommermonate stattfinden. Ich brauche wieder einmal den Kampf mit den Elementen. Warum also nicht die Herausforderungen annehmen und Norwegen in der dunkelsten Jahreszeit erleben?
Die Momente, als sich mein Körper nach den ersten Paddelschlägen langsam aufwärmt, sind Freudentänze für Muskeln und Geist. Die Dämmerung, die sich jeden Tag für ein paar Stunden über das Land legt, ist ein Geschenk der Sonne, die mich jeden Tag aufmuntert. Der Rückenwind, der mich zusammen mit der einsetzenden Ebbe vorantreibt, ist Entspannung pur.

Kalte Outdoor-Nacht? Dank moderner Ausrüstung kein Problem
Wind und Wellenberge
Nachdem ich in Tromsø von einem Schneesturm empfangen werde und die Temperaturen ins Bodenlose fallen, hinterfrage ich genau diese Entscheidung mit jedem Paddelschlag: Wieso tue ich mir das nur an? Bei Minustemperaturen aus dem Zelt kriechen, um danach bis zu zehn Stunden durch die Dunkelheit zu paddeln. Peitschender Wind, der das Wasser zu Wellenbergen auftürmt und mein SUP-Board beinahe zum Kentern bringt. Ein Sturz wäre das Ende meiner Expedition, denn aus Nässe und Kälte wird bekanntlich Eis. Doch genau darin liegt die Faszination meiner Reise.

Die letzte Etappe bewältigt Thomas Oschwald wegen schlechtem Wetter zu Fuß
Endlich Nordlicht!
Als sich die Wolken nach einer kräfteraubenden Woche lichten und ich zum ersten Mal in meinem Leben das Nordlicht sehe, bin ich einfach nur glücklich.
Leben bedeutet für mich, dass ich mich ungewissen Situationen stelle, mich herausfordere und daran wachsen oder scheitern kann. Fürchte nicht das Ende des Lebens, fürchte lieber, dass es niemals beginnt. Gemäß dieser norwegischen Redewendung fürchte ich mich nicht vor der Ungewissheit meines Vorhabens.
Niemals gehe ich unnötige Risiken ein. Bereits in der ersten Woche entscheide ich mich gegen die Querung von Fjorden, paddle immer in Ufernähe und die letzte Etappe absolviere ich wegen stürmischer Winde zu Fuß. Begleitet oft vom überirdisch schönen Nordlicht.

Polarlicht! Es entsteht, wenn Sonnenwind auf die Erdatmosphäre trifft
Nach Hause …
Trotz Trockenanzug, Schwimmweste und Notfallsender suche ich Herausforderung im körperlichen und mentalen Kampf und nicht in riskanten Situationen.
Es ist die innere Stimme, die zuerst leise und dann immer lauter nach Freiheit und Abenteuer schreit. Auf dem Weg zum Nordkap wird diese Stimme immer leiser und leiser. Eine andere Stimme aber wird immer lauter. Es ist der Ruf nach Gesellschaft und Heimkehr!
Ich paddle nicht nur meinem Ziel entgegen, sondern immer tiefer und tiefer in mich selbst hinein. Eine Welt, welche mein Leben ist und welche ich selbst erschaffen und formen kann.

„Ich paddle … immer tiefer … in mich selbst hinein“
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Info
Stets auf der Suche nach neuen Herausforderungen im Sport und im Alltag geht mmer wieder an seine Grenzen. Seine Abenteuer und Expeditionen dokumentiert der ehemalige Berufsfotograf Thomas Oschwald selbst – via Fernauslöser und mit einer Drohne.
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